Überlegungen zur Ausgestaltung von Übergängen in Zeiten der Corona Pandemie

Zur Bedeutung von Übergängen (Transitionen)

Übergänge in Zeiten von Corona


Zur jährlichen Routine von Schulen in Kooperation mit vorangehenden sowie weiterführenden  Bildungseinrichtungen gehört die Ausgestaltung der Übergänge (gemeint ist die Transition von KiTa zur Grundschule und von der Grundschule in die weiterführende Schule).
Für die Bewältigung der damit verbundenen Aufgaben gibt es dabei in den Bildungseinrichtungen einen großen Erfahrungsschatz, um eine Ausgestaltung vorzunehmen, oftmals in Kooperation miteinander.

Allerdings sind in der aktuellen Zeit, in der physische Distanz eines der obersten Gebote darstellt und die Möglichkeiten des Betretens der Schulgebäude und Durchmischung von Lerngruppen eingeschränkt bzw. gar nicht möglich sind, viele dieser bewährten Konzepte nicht durchführbar. Entsprechend wird nachfolgend die Bedeutung der Übergänge thematisiert und mit Blick auf die veränderte Ausgangslage werden alternative Vorgehensweisen angeregt.

 

Zur Bedeutung von Übergängen (Transitionen)

Übergänge (Transitionen) von einer Bildungseinrichtung in eine nächste, wie dies beim Schuleintritt oder beim Wechsel von der Primar- in die Sekundastufe I der Fall ist, sind Ereignisse, die bedeutsame Veränderungen mit sich bringen.

Der Prozess des Übergangs verläuft dabei über einen längeren Zeitraum. So beginnen lange vor dem ersten Schultag (in der neuen Schule) die Vorbereitungen in den Familien und sowohl in den abgebenden als auch in den aufnehmenden Bildungseinrichtungen und werden erst durch die konkreten Erfahrungen in der (neuen) Schule abgeschlossen. In diesem Zeitrahmen strömen viele neue Eindrücke und Anforderungen auf die Beteiligten ein, denen sie mit intensiven und beschleunigten Lernprozessen begegnen müssen. Die Veränderungen und die damit verbundenen erforderlichen Anpassungsleistungen der Beteiligten können dabei Belastungsfaktoren darstellen. Die Anforderungen liegen beispielsweise im Aufbau neuer tragfähiger Beziehungen zu anderen Bezugspersonen, im Erwerb neuer Regeln und Rituale sowie in einem veränderteren Anspruch / einer veränderten Erwartungshaltung an selbständiges Handeln. Entsprechend birgt der Übergang Risiken der Überforderung.

Gleichzeitig beinhalten Transitionsprozesse aber auch individuelle Chancen, wenn sie als Auslöser für Entwicklungsprozesse aber auch als Beendigung von schwierigen sozialen Prozessen wie z.B. „Mobbing“ wirken. Entsprechend können eine gute Vorbereitung und eine gute Begleitung entscheidend zur erfolgreichen Bewältigung dieses Übergangsprozesses beitragen.

Die Transition betrifft dabei nicht nur die (künftigen) Schüler*innen, sondern auch deren Familien und auch die Lehrkräfte, die in ihrer Rolle ebenfalls eine Wandlung erfahren. Dabei besteht jedoch zwischen den Beteiligten ein Unterschied in der zu erringenden Bewältigungsleistung: Die Kinder müssen den Übergang (vom KiTa- zum Schulkind oder von Grundschüler*in zu Schüler*in einer weiterführenden Schule) aktiv bewältigen; gleiches gilt für ihre Eltern (Wechsel von Eltern eines KiTa zu Eltern eines Schulkindes bzw. Eltern eines Kindes im System Sek. I).  Sie erleben gemeinsam den Übergang, gestalten ihn aber auch aktiv mit. Die Vermittlung des Gefühls der Sicherheit im Prozess des Übergangs bildet eine wichtige Grundlage für gelingende Bildungsprozesse im neuen Lebensabschnitt der Schüler*innen.

Der abgebenden Einrichtung kommen dabei Aufgaben des guten Abschieds zu. Abschiedsprozesse haben dabei immer alle Beteiligte im Blick (hier: Schülerinnen und Schüler, Eltern, Lehrkräfte). Ein gelungener Abschied gibt Sicherheit und ermöglicht ein einfacheres Annehmen „des Neuen“, hier der neuen Schule.

In der neuen Bildungseinrichtung ist dann das Kennenlernen all ihrer Abläufe, Regeln, Ritualen aber auch ihren Menschen und Räumen von großer Wichtigkeit.

Für die Eltern sind Kenntnisse bezüglich der Abläufe und Erwartungen eine wichtige Grundlage für die Erfüllung des gemeinsamen Bildungs- und Erziehungsauftrags.

Die Lehrkräfte nehmen Einfluss auf die Gelingensbedingungen des Überganges, initiieren Handlungsschritte und konstruieren Prozesse mit. Entsprechend stellt dieser Zeitabschnitt in ihrem professionellen Handeln eine durchaus anspruchsvolle Aufgabe dar.

 

Insgesamt ist die Bewältigung des Überganges also nicht als Aufgabe des/der Einzelnen zu verstehen, sondern im Zusammenwirken aller Beteiligten zu betrachten. Eine gute Vorbereitung und Begleitung, die Klärung von Fragen sowie eine Verständigung über gegenseitige Erwartungshaltungen sind für eine positive Gestaltung und Bewältigung der Transition entscheidend.

Schulen und vorschulische Bildungseinrichtungen haben in diesem Bereich einen großen Erfahrungsschatz und haben viele Routinen entwickelt, um die Gestaltung dieses zentralen Übergangs vorzunehmen.

 

Übergänge in Zeiten von Corona

In der gegenwärtigen Zeit, die geprägt ist von Fragen der Hygiene, dem Einhalten von körperlicher Distanz und der Beibehaltung fester Bezugsgruppen in allen Bildungseinrichtungen, müssen viele Konzepte zum Übergang neu gedacht werden.

Gleichzeitig erfährt aber gerade in dieser Zeit der Verunsicherung die Gestaltung der Übergänge eine besondere Wichtigkeit. Schüler*innen und ihre Eltern benötigen die Grundüberzeugung, die anstehenden Veränderungen ihres Lebens aktiv mitgestalten zu können; dafür bedarf es Gewissheiten.

Viele der Fragen bezogen auf das kommende Schuljahr sind allerdings noch nicht geklärt, so dass es umso wichtiger erscheint, die grundlegenden und bereits bekannten Informationen und Gewissheiten zu vermitteln, um ein Höchstmaß an Sicherheit zu bieten.

 

Kontaktaufnahme

Gewiss ist, dass sich die neue Bildungseinrichtung auf die zukünftigen Schüler*innen freut und sich nach bestem Können auf sie vorbereitet. Entsprechend ist die Kontaktaufnahme mit den Schüler*innen aktuell besonders wichtig. Vielleicht kann man ein „meet and greet“ mit der zukünftigen Lehrkraft am Schultor vereinbaren?

Dort, wo ein Treffen von Angesicht zu Angesicht nicht möglich ist, muss das, was sonst durch Informations-, Schnupper- und Hospitationsangebote erfolgen würde, so gut wie möglich durch schriftliche Informationen erfolgen:

 

Kontakt mit den Kindern, beispielsweise durch

  • einen persönlichen Brief, der die Botschaft enthält „Wir freuen uns auf dich“
  • Bilder der Schule – so sieht die Schule von innen aus
  • ein Bild des/der Klassenlehrer*in (vielleicht auch verbunden damit, ein Bild von sich zu malen und zu schicken oder einen Steckbrief von sich zu schreiben/Sek.I)
  • Identifikationsmöglichkeiten und Stärken des Wir-Gefühls(Informationen zur zukünftigen Klasse, ggf. zum Klassentier, Zusenden eines Namensschildes o.ä.)

 

Kontakt mit den Eltern – Weitergabe von Informationen, z.B.

  • wer ist Ansprechpartner*in /Klassenlehrerin?
  • welche Materialien werden benötigt?
  • wie können die Eltern aus Sicht der Schule den Übergang vorbereiten (z.B. Schulweg üben etc.)?
  • welche Anforderungen an Selbständigkeit, Unterstützung und Motivation werden künftig gestellt?

 

Neben der reinen Informationsweitergabe an die Eltern gilt es aber auch sensibel damit umzugehen, dass die Übernahme von Verantwortung für den Schulerfolg des Kindes und die Anpassung der Erwartungshaltung an das Leistungsvermögen des jeweiligen Kindes oftmals für Eltern zentrale (wenn auch teilweise nicht ausgesprochene) Themen sind.

Diese sowie weitere Bewältigungsaufgabe für die Eltern geraten oftmals aus dem Blick.

Insofern ist es wichtig, auch die Sicht der Eltern auf ihr Kind in den Übergangsprozess einzubeziehen. Wenn persönliche Gespräche an der Stelle nicht erfolgen können, besteht z.B. die Möglichkeit die Information der Eltern bezogen auf ihr Kind durch einen (freiwilligen) Fragebogen eingeholt werden (besondere Vorlieben des Kindes, Erwartungen, offene Fragen etc.).

 

Kontakt zwischen den Bildungseinrichtungen

Auch der Kontakt zwischen den Bildungseinrichtungen (unter Beachtung der datenschutzrechtlichen Bestimmungen) kann auch mit Blick auf die aktuelle Situation besonders hilfreich sein: so lässt sich neben Kompetenzen auch erfragen, welche Routinen die Kinder aus der aktuellen Bildungseinrichtung bereits kennen und wo individuelle Stärken und Entwicklungsbedarfe liegen.

 

Verabschiedung

Die aktuell anstehende Verabschiedung der Kinder aus der derzeit besuchten Bildungseinrichtung erfolgt ebenfalls nicht nach den üblichen Verfahrensweisen.

Die Beendigung dieses wichtigen Zeitabschnitts ist aber auch ein Teil des Übergangs und die Würdigung dessen ist wichtig für die Bewältigung der Veränderungen von Beziehungen.

Insofern müssen Wege gefunden werden, den Rückblick auf die gemeinsam verbrachte Zeit zu würdigen. Vielleicht ist es möglich, die Schüler*innen einer Klasse am letzten Schultag (mit der nötigen Distanz) gemeinsam auf dem Schulhof zu verabschieden, damit sie sich noch einmal als gemeinsam Gruppe erleben.

Durch Abschiedsbriefe, Fotos oder eine Sammlung von Erinnerungen aus den letzten Jahren kann der Rückblick auf die gemeinsam verbrachte Zeit unterstützt werden.

Wichtig ist der Abschied auch für die Eltern, so dass eine Verabschiedung, die nicht persönlich beispielsweise im Rahmen einer Feier erfolgen kann, auf anderem Wege versucht werden sollte (beispielsweise durch einen Abschiedsbrief der Schule).